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Donnerstag, 31. Dezember 2009

Mit dem RadI zum Krähenhof

Lina Reif erzahlte von ihrem Leben als Schrankenwarterin

HAPPURG - Eine stattliche An­zahl von Besuchern fand sich an der neuen Happurger S-Bahn-Station ein und lauschte dort dem Vortrag von Lina Reif. Der Bahnübergang wurde in kurzer Zeit fertiggestellt und auch das Gelände des Bahnsteigs wurde zügig bearbeitet.

Eine Gruppe Interessierter setzte sich auf dem einstigen Weg Richtung Bahnhof in Bewegung. Ein Stück ging es auf dem Radweg, dann auf einem Feldweg zum Krähenhof. Die­se Bahnstation sollte für die drei Ge­meinden Happurg, Pommelsbrunn und Hohenstadt dienen und wurde 1859 errichtet. Doch bereits nach 10 Jahren wurde sie aufgelassen, weil sie von der Bevölkerung nicht ange­nommen worden war. Es existierte keine Güterhalle und die Zufahrt war sehr schlecht. Niemand wollte hier die Straßenverhältnisse auf sei­ne Kosten verbessern. So fuhren die Happurger und die Hohenstädter zum Hersbrucker Bahnhof, auf der gut ausgebauten Straße und nützten die dortige große Güterhalle. Die Pommelsbrunner fuhren vielfach zum Bahnhof Hartmannshof.

Lina Reif erklärte, wie das Gelän­de vor dem Abbruch des Bahngebäu­des 1959 aussah. Man sah auf der südlichen Bahnseite den Keller im Berghang, den riesigen Kastanien­baum, der seit der Erbauung hier steht, den Abraum des Bauschutts am Hang und die Zufahrten. Reif, geborene Herbst, erzählte aus ihrem Leben. Ihr Vater war im Steinbruch in Hartmannshof beschäftigt. Die Familie mit den acht Kindern wohn­te in Haunritz. Zum Konfirmandenunterricht musste sie zwei Stunden nach Etzelwang laufen. Nach ihrer Konfirmation 1939 bezog die Fami­lie das Happurger Bahngebäude. Sie besuchte die achte Klasse bei Kantor Waller in Happurg. Täglich gingen die Kinder am Bahndamm entlang zur Hohenstädter Straße und liefen zum Schulhaus, wo sie in drei Abtei­lungen unterrichtet wurden.

Weil die Familie sehr beengt wohnte, war man froh, als die ältes­te Tochter Lina ihr Pflichtjahr auf der Hohenstädter Mühle machte und  dort eine Kammer bezog. Lina half der Familie mit den drei Buben und der großen Landwirtschaft im Stall, am Feld und beim Hopfenzupfen. Danach war sie zwei Jahre bei einem Bauern in Happurg tätig und kam danach zum Arbeitsdienst nach Elt­mann am Main, wo sie in kinderreichen Familien und in der Landwirt­schaft mitarbeitete.

1944 kam sie dann zur Eisenbahn und wurde Schrankenwärterin an der Happurger Straße in Hersbruck, unweit der Baywa. Hier versah sie meistens die Nachmittagsschicht, die um 12.30 Uhr begann und um 0.30 Uhr endete, nachdem der letzte Zug das Bahnwärterhaus passiert hatte. Dann fuhr sie mit dem Fahr­rad nach Hause zum Krähenhof.

Weil die Oma noch zu Hause lebte, musste die Mutter trotz der vielen Kinder in einer Rüstungsfabrik ar­beiten. Häufig kamen Häftlinge vom Doggerwerk mit einem Aufseher und holten Wasser aus ihrem Pumpbrun­nen, der unweit des Kastanienbau­rnes stand. Sie schleppten vermut­lich die Ruhr ein, an der ihre Groß­mutter im Winter 1944/45 starb. Die ganze Familie erkrankte an der Ruhr und kam auf die Isolierstation im Nürnberger Krankenhaus. Nur die kranke Mutter blieb zu Hause und versorgte die Ziegen. Die Familie lebte großenteils von den Früchten des Gartens, schlachtete jährlich ei­ne Sau und hielt Geißen, um Milch zu haben. Als am Palmsonntag 1944 der Geißstall abbrannte, rannte der kleine Bruder ins Feuer und zog sich starke Brandverletzungen zu.

Sie heiratete einen Happurger und ihre Eltern zogen mit den kleineren Kindern in ein Bahnwärterhaus nach Hersbruck Von Lina Reif stammt auch das Foto von dem „Krähenhof“, das in der Dokumen­tation 150 Jahre Ostbahn abge­druckt ist. Der Name rührt vermut­lich daher, dass sich hier weitab von allen Orten Krähen tummelten.

Viele der Besucher waren er­staunt, dass hier ein Bahngebäude stand, von den sie nichts gewusst hatten. Wem es nicht zu kalt war, der ging weiter bis zur Unterführung und besah sich die Reste der Dogger­bahnstrecke, die einst von Pommels­brunn auf die Baustelle der Flug­zeugfabrik auf die Houbirg führte. Beim Rückweg in der einbrechenden Dämmerung fühlte man, wie einsam diese Gegend auch heute noch ist.

HELMUT Süß



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