Mit dem RadI zum Krähenhof Lina Reif erzahlte von ihrem Leben als Schrankenwarterin HAPPURG
- Eine stattliche Anzahl von Besuchern fand sich an der neuen
Happurger S-Bahn-Station ein und lauschte dort dem Vortrag von Lina
Reif. Der Bahnübergang wurde in kurzer Zeit fertiggestellt und auch das
Gelände des Bahnsteigs wurde zügig bearbeitet. Eine Gruppe
Interessierter setzte sich auf dem einstigen Weg Richtung Bahnhof in
Bewegung. Ein Stück ging es auf dem Radweg, dann auf einem Feldweg zum
Krähenhof. Diese Bahnstation sollte für die drei Gemeinden Happurg,
Pommelsbrunn und Hohenstadt dienen und wurde 1859 errichtet. Doch
bereits nach 10 Jahren wurde sie aufgelassen, weil sie von der
Bevölkerung nicht angenommen worden war. Es existierte keine
Güterhalle und die Zufahrt war sehr schlecht. Niemand wollte hier die
Straßenverhältnisse auf seine Kosten verbessern. So fuhren die
Happurger und die Hohenstädter zum Hersbrucker Bahnhof, auf der gut
ausgebauten Straße und nützten die dortige große Güterhalle. Die
Pommelsbrunner fuhren vielfach zum Bahnhof Hartmannshof. Lina Reif erklärte, wie das Gelände vor dem Abbruch des Bahngebäudes 1959 aussah. Man sah auf der südlichen Bahnseite den Keller im Berghang, den riesigen Kastanienbaum, der seit der Erbauung hier steht, den Abraum des Bauschutts am Hang und die Zufahrten. Reif, geborene Herbst, erzählte aus ihrem Leben. Ihr Vater war im Steinbruch in Hartmannshof beschäftigt. Die Familie mit den acht Kindern wohnte in Haunritz. Zum Konfirmandenunterricht musste sie zwei Stunden nach Etzelwang laufen. Nach ihrer Konfirmation 1939 bezog die Familie das Happurger Bahngebäude. Sie besuchte die achte Klasse bei Kantor Waller in Happurg. Täglich gingen die Kinder am Bahndamm entlang zur Hohenstädter Straße und liefen zum Schulhaus, wo sie in drei Abteilungen unterrichtet wurden. Weil die Familie sehr beengt wohnte, war man froh, als die älteste Tochter Lina ihr Pflichtjahr auf der Hohenstädter Mühle machte und dort eine Kammer bezog. Lina half der Familie mit den drei Buben und der großen Landwirtschaft im Stall, am Feld und beim Hopfenzupfen. Danach war sie zwei Jahre bei einem Bauern in Happurg tätig und kam danach zum Arbeitsdienst nach Eltmann am Main, wo sie in kinderreichen Familien und in der Landwirtschaft mitarbeitete. 1944 kam sie dann zur Eisenbahn und wurde Schrankenwärterin an der Happurger Straße in Hersbruck, unweit der Baywa. Hier versah sie meistens die Nachmittagsschicht, die um 12.30 Uhr begann und um 0.30 Uhr endete, nachdem der letzte Zug das Bahnwärterhaus passiert hatte. Dann fuhr sie mit dem Fahrrad nach Hause zum Krähenhof. Weil die Oma noch zu Hause lebte, musste die Mutter trotz der vielen Kinder in einer Rüstungsfabrik arbeiten. Häufig kamen Häftlinge vom Doggerwerk mit einem Aufseher und holten Wasser aus ihrem Pumpbrunnen, der unweit des Kastanienbaurnes stand. Sie schleppten vermutlich die Ruhr ein, an der ihre Großmutter im Winter 1944/45 starb. Die ganze Familie erkrankte an der Ruhr und kam auf die Isolierstation im Nürnberger Krankenhaus. Nur die kranke Mutter blieb zu Hause und versorgte die Ziegen. Die Familie lebte großenteils von den Früchten des Gartens, schlachtete jährlich eine Sau und hielt Geißen, um Milch zu haben. Als am Palmsonntag 1944 der Geißstall abbrannte, rannte der kleine Bruder ins Feuer und zog sich starke Brandverletzungen zu. Sie heiratete einen Happurger und ihre Eltern zogen mit den kleineren Kindern in ein Bahnwärterhaus nach Hersbruck Von Lina Reif stammt auch das Foto von dem „Krähenhof“, das in der Dokumentation 150 Jahre Ostbahn abgedruckt ist. Der Name rührt vermutlich daher, dass sich hier weitab von allen Orten Krähen tummelten. Viele der Besucher waren erstaunt, dass hier ein Bahngebäude stand, von den sie nichts gewusst hatten. Wem es nicht zu kalt war, der ging weiter bis zur Unterführung und besah sich die Reste der Doggerbahnstrecke, die einst von Pommelsbrunn auf die Baustelle der Flugzeugfabrik auf die Houbirg führte. Beim Rückweg in der einbrechenden Dämmerung fühlte man, wie einsam diese Gegend auch heute noch ist. HELMUT Süß |