Im Vorstadium empfindet der Betroffene leichtes Unwohlsein, leichtes Frösteln, kalten Schweiss und ein leicht drückendes Gefühl in der Magengegend. Er wirkt müde bis schläfrig und desinteressiert, reagiert langsamer, spricht weniger, ist etwas blass im Gesicht. Im Blut steigen die Stresshormone Adrenalin und Noradrenalin an und der Puls erhöht sich. Nach einigen Minuten steigt der Spiegel von Vasopressin sehr stark.
Bei zunehmender Seekrankheit entstehen kalter Schweissausbruch, Gähnen, Müdigkeit, Schläfrigkeit, Abgeschlagenheit, geistige Leere, Arbeitsunlust, Desinteresse bis hin zur Lethargie, Kopfschmerzen, Schwindel, Zwangsschlucken, Brechreiz, Sodbrennen und Erbrechen (Reverse Peristaltik). Das Gesicht verfärbt sich von blass zu grünlich.
Schwere Seekrankheit ist begleitet von extremem Unwohlsein, Erbrechen bis zur völligen Magenleere (und bei längerem Anhalten des Erbrechens Dehydrierung), schwerer Depression und dem Gefühl, am liebsten sterben zu wollen. In besonders schweren Fällen müssen Patienten sogar festgebunden werden, damit sie nicht über Bord springen. In seltenen Fällen kann Seekrankheit bei Menschen mit Herz-Kreislauf-Beschwerden zum Tod führen.
Die Symptome sind ähnlich wie diejenigen von Angst und Panik.
Seekrankheit wurde wegen der vielen tausend Opfer in der Marine differenziert untersucht. Der genaue Wirkmechanismus ist bis heute nicht bekannt. Ursächlich ist eine widersprüchlichen Informationen von Auge und Gleichgewichtsorgan an das Gehirn das den Widerspruch nicht auflösen kann.
Seekrankheit verschwindet regelmässig, wenn wieder fester Boden betreten wird, also spätestens im nächsten Hafen. Nach 1...3 Tagen hat sich der Organismus meist an das neue Umfeld gewöhnt.
Kinder zwischen 2 und 12 sind häufiger seekrank, ab 50 tritt sie immer seltener auf. 15% der Erwachsenen werden nie, 10% immer, 75% gelegentlich (z.B. zu Beginn des Törns oder bei schwerem Wetter) seekrank.
Als Ursache der Seekrankheit gilt, dass die über den Gleichgewichtssinn im Innenohr wahrgenommenen Bewegungen bzw. Beschleunigungen (Schaukeln, Stöße, etc.), in Konflikt stehen mit den Eindrücken, die andere Sinnesorgane vermitteln (das Auge meldet: alles ist ruhig).
Besonders häufig tritt Seekrankheit in geschlossenen Kabinen eines schwankenden Schiffs auf, in denen der Passagier die Bewegung ohne visuelle Bestätigung, etwa durch den Blick auf den Horizont, erlebt. In Flugzeugen und Zügen ist sie seltener anzutreffen, da die Fahrten meist weniger Beschleunigungsvorgänge beinhalten und mit Ausnahme des Starts und der Landung eines Flugzeugs oder bei Bahnen mit Neigetechnik auch die Intensität viel kleiner ist als etwa beim Auto oder Reisebus. Wahrscheinlich wird die Seekrankheit aber bei Luftturbulenzen, deswegen bieten fast alle Fluggesellschaften Spuckbeutel an jedem Sitz an. In Fahr- und Flugsimulatoren und bei Computerspielen kann ein umgekehrter Effekt auftreten. Die durch die Augen wahrgenommenen schnellen Bewegungen werden nicht durch die Eindrücke des Gleichgewichtssinns bestätigt.
Seekrankheit wird meist verstärkt durch Fixierung des Blickes auf Objekte, die sich mit dem Fahrzeug bewegen, wie z. B. beim Lesen in einem Buch oder beim Fernsehen. Auch das Sitzen gegen die Fahrtrichtung kann die Seekrankheit begünstigen. Auch beim Reiten auf dem Kamel kann Seekrankheit auftreten, wenn der Reiter seinen Blick auf das Kamel fixiert.
Entscheidend für eine unangenehme Bewegung ist die Veränderung der Beschleunigung beziehungsweise deren Vorhersehbarkeit, in Abhängigkeit von der Periode der Bewegung, der Wellenhöhe, der Wellenlänge im Verhältnis zur Schiffslänge und dem daraus erzeugten Rollen und Stampfen des Schiffes.
(siehe Harald Melwisch: Seekrankheit mathematisch berechnet)
Auch die "Angst vor Reisekrankheit", also schon die blosse Befürchtung dass diese auftreten könnte (selbsterfüllende Prophezeiung), begünstigt das Auftreten der Symptome. Entsprechend kann umgekehrt der Glaube an "wirksame Mittel" (Placebo) Seekrankheit verhindern und/oder beseitigen. Der Placeboeffekt wird auf 45% geschätzt.
Durch Konditionierung wird die Reaktion "Seekrankheit" mit einem Stimulus verknüpft, beispielsweise mit dem Geruch von Benzin oder Diesel. Dadurch genügt manchmal allein dieser Geruch, um die Reaktion auszulösen. Auch wenn die entsprechende Bewegung noch gar nicht erfolgt. Manchmal genügt schon der Anblick eines Schiffes.
Viele (natürliche) Gifte wirken ähnlich auf die Gleichgewichtszentren. Im Laufe der Evolution hat sich Erbrechen als Reaktion auf solche Gleichgewichtsirritationen entwickelt. Dies ist ein wirksamer Mechanismus, um den Körper von aufgenommenem Gift zu befreien und gleichzeitig die weitere Giftzufuhr zu unterbinden. Wie dieser Mechanismus aber mit Seekrankheit zusammenhängt ist noch nicht geklärt.
In diesen Zusammenhang scheint auch die Kombination mit Ekel zu gehören. Ekel erzeugt ähnliche Symptome wie Seekrankheit. Durch Konditionierung kann die Wirkung noch verstärkt werden (Geruch und Anblick von Erbrochenem).
Die Kinetose kann auch als Schutz vor einer lebensbedrohlichen Situation betrachtet werden. Durch die Magenentleerung steht alles Blut für das Gehirn und eine schnelle Reaktion der Muskulatur (Flucht oder Kampf) zu Verfügung. Offensichtlich funktioniert das auch bei einer nur vermeintlich lebensgefährlichen Situation, die entsprechende Angst auslöst. Das Gehirn reagiert entsprechend, wenn Beschleunigungsreize ausgelöst werden, für die es noch keine Anpassungsmechanismen entwickelt hat, oder die das Individuum überfordern solche zu entwickeln.
Bekannt sind die Parameter, die ein Auftreten von Seekrankheit begünstigen:
Daraus ergeben sich auch gleichzeitig die Lösungen
Am besten wirken Erfolgserlebnisse: ich fühle mich wohl, ich kann das Schiff steuern, ich werde gelobt, ich bin nützlich für die Gemeinschaft. Wichtig sind positive (oder wenigstens sachliche) Informationen darüber, wie das Schiff funktioniert, wie ich zum Wohlergehen jedes Einzelnen und der Gruppe beitragen kann, was ich für die gemeinsame Sicherheit tun muss, wie der Urlaub und die Reise geplant sind, wie ich Unterstützung bekomme wenn ich nicht weiter weiss, Fragen habe oder Hilfe brauche.
Als Skipper beobachte ich meine Mitsegler immer ein bisschen. Wenn einer etwas apathisch wirkt, vielleicht ein bisschen blass um die Nase wird, oder gähnt, dann stelle ich ihn ans Steuer. Durch die Konzentration auf die Aufgabe und den Blick auf den Horizont (steuern nach Landmarken, Wolken, Sternen - nicht nach Kompass) und das Erfolgserlebnis und das Gefühl nützlich zu sein, beruhigt sich der Magem meist wieder.
Die beste Therapie habe ich von meiner Freundin Beate, Hebamme, gelernt. Überliefert wurde dieser Griff von Kim Da Silva. Sie wird nur angewendet, wenn wirklich Bedarf entsteht. Die Wirkung erzeuge ich selbst, indem ich mein eigenes Energiesystem anrege und harmonisiere. Die Wirkung tritt schnell ein. Nebenwirkungen gibt es keine.
Drücke gleichzeitig an jeder Hand jeweils drei Fingerkuppen gegeneinander:
Wenn man die Hand in Richtung Ellenbeuge anspannt, werden zwei Sehnen sichtbar, zwischen denen sich der Punkt zwei Daumen breit oberhalb der Handgelenksquerfalte befindet. Der Punkt wird mit dem Daumen der anderen Hand mehrere Minuten massiert. Elektroakupunktur des Nei Guan-Punktes senkt die Häufigkeit und die Stärke der Übelkeit bei Seekrankheit deutlich. (Versuch von Kenneth L. Koch, Hershey Medical Center in Pennsylvania)
Gute Erfahrungen habe ich auf dem Schiff auch mit Ingwer. Du kaufst einfach auf dem Markt ein Stück frische Ingwerknolle. Und beim Segeln schneidst Du dir immer wieder ein kleines Stück ab, das Du dann wie ein Kaubonbon langsam kaust. Das steckt auch die andern in der Crew an. Bald kauen alle ihren Ingwer und sind damit glücklich. Es entsteht ein richtiges Ingwer-Gruppengefühl und Seekrankheit taucht erst gar nicht auf.
Nebenwirkungen gab es bisher keine.
Ingwer hat eine antiemetische Wirkung. Er wird in Form von kleinen Scheibchen von der rohen Wurzel (gibts auf jedem Markt) gekaut, oder als Pulver (1 bis 4 Gramm) oder in Tablettenform eingenommen. Mit der Medikation kann schon am Vortag begonnen werden.
In einer kleinen doppeltblinden Studie, die an 80 Seekadetten durchgeführt wurde, reduzierte Ingwer im Vergleich zu Placebo signifikant das Auftreten von Erbrechen.[5] 1982 erfolgte eine Studie mit Kandidaten auf einem Drehstuhl, mit einer Dosis von 940 mg, 20 bis 25 Minute vor dem Test, mit erfolgreicher Reduktion von Übelkeit.
Selbst habe ich keine Erfahrung mit Homöopathie.
Carla Schenk (Apothekerin), die Frau von Bobby Schenk, erwähnt das homöopathisches Mittel Cocculus (Kockelskörner) in der Potenzierung D6.
frühzeitig (der Magen meldet sich leise, leichtes Frösteln)
wenn alles nichts hilft:
Als Medikament empfehle ich "Super-Pep forte". Es wird nur angewendet, wenn wirklich Bedarf entsteht (alle andern Medikamente müssen vorbeugend genommen werden, auch wenn erst mal gar keine Notwendigkeit besteht und vielleicht sogar auch keine Notwendigkeit entstehen würde). Am besten hast Du immer einen in der Segeljacke für alle Fälle.
Die Wirkung tritt schnell ein (5 Minuten). Schon das Kauen des Kaugummis hat eine beruhigende Wirkung. Bei Bedarf kann später ein zweiter Kaugummi genommen werden.
Nebenwirkungen: Sedierung, zentralnervöse Beschwerden (Halluzinationen), Mundtrockenheit, gastro-intestinale Störungen, allerg.Hautreaktionen
Kontraindikationen: Epilepsie, Alkoholmißbrauch, gleichz. Behandlung mit Streptomycin, Blasenentleerungsstörung mit Restharn, Engwinkelglaukom
Pflaster, hinter dem Ohr aufgeklebt gibt den Wirkstoff Scopolamin während 3 Tagen ab. Nur geeignet für Segler die erwiesenermassen regelmässig seekrank werden, am Anfang des Törns. Oder bei Überführung bei schwerem Wetter.
Nebenwirkungen: vorübergehende Mundtrockenheit (10%), verschwommenes Sehen (10%), verschwommenes Sehen verstärkt wenn Wirkstoffreste von den Händen in die Augen gelangen.
Warnhinweise: Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens, Verkehrsteilnahme verboten (Auto, Schiff...), verstärkte Beeinträchtigung des Reaktionsvermögens in Kombination mit Alkohol. Alkoholeinnahme vermeiden! Cave Engwinkelglaukom.
Kontraindikation: nicht während Schwangerschaft oder Stillzeit. Nicht bei Scopolamin-Überempfindlichkeit. Nicht bei Glaucom. Nicht bei Prostataleiden. Nicht bei Kindern und Jugendlichen unter 16 Jahren. Nicht bei älteren Menschen. Wegen vieler weiterer Kontraindikationen vorher unbedingt immer Arzt konsultieren!
Bei Schwangerschaft sollen nur Neuroleptika gegen Seekrankheit verwendet werden. Sie werden auch für Kinder empfohlen. Neuroleptika wirken aber stark ermüdend (Sedierung). (Deutsches Ärzteblatt - Ärztliche Mitteilungen, 72. Jahrgang, Heft 29)
Bei schwerer Seekrankheit (restloses Erbrechen, Verlust der Selbststeuerung, Dehydrierung) helfen nur noch Darmzäpfchen: Paspertin oder MCP. Gibts auch als Tropfen (leichter anzuwenden, aber wegen Erbrechen evtl. schwieriger zu dosieren).
Kontraindikation: Epilepsie, Kinder.
Schwere Seekrankheit ist mit Selbstmordgefahr verbunden !
Der Betroffene gehört unter ständige Beobachtung !
Neulich hat sich eine Firma bei mir gemeldet, sie hätten da auch noch eine Brille gegen Seekrankheit (die mit dem Balken). Habe angeboten, das Ding zu testen - und dann nichts mehr von der Firma gehört...
© Markus Bärlocher | Tel: | (+49) 9155-1715 |
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