Johanna Wagner aus Ingolstadt schwärmt von der Idylle am Hersbrucker Wassertor Apothekerin im Schusterhäusl Vorerst nur fürs Wochenende — Sehr interessiert an sachgerechter Sanierung des Gebäudes von 1690
HERSBRUCK - So schnell kann es gehen:
Jahrelang war das „Schusterhäusl" am Wassertor verwaist, wegen des
hohen Sanierungsaufwands schien nur noch eine bezuschusste öffentliche
Nutzung möglich. Bis zufällig eine Apothekerin aus Ingolstadt
daran vorbeikam. Gelegentlich gab der Schlot bereits ein
zartes Rauchsignal ab, spätestens aber als die Handwerker anrückten
und die Front mit einer Plane abdeckten, war klar: In dem über 300
Jahr alten Fachwerkbau rührt sich wieder etwas. Seit November gehört
das Häuschen Johanna Wagner, die heimliche Beziehung war sozusagen
offiziell gewordenen. Die Begegnung war Liebe auf den ersten
Blick — zwischen der Ingolstädterin, die in Röhrmoos bei München
eine Apotheke führt, und dem histori-schen Kleinod: Im vorigen Februar
ließ sie sich in der „PsoriSol" - Klinik behandeln und spazierte
eines Tages mit ihrer Tochter an dem Häuschen vorbei. „Das ist ein
schönes Haus, da ruf' ich einmal an", sagte sie. Zu diesem Zeitpunkt
flirteten viele Interessenten mit dem ursprunglichen Zollgebäude:
Doch immer war entweder der Preis zu hoch, die Vorgabe der Denkmalschützer
zu schwierig oder der Platz zu gering. Die
Hersbrucker Altstadtfreunde, denen seine Bewahrung länger schon am
Herzen lag, waren mit ihrem Latein allmählich am Ende. Eine Hoffnung
war eine öffentliche Nutzung, die durch Zuschüsse eine
dem Baudenkmal gerechte Sanierung ermöglicht hätte. Doch
die kurzzeitige Idee, darin die Tourist Information unterzubringen war
recht schnell wieder vom Tisch. „Völlig ungeeignet“, hieß es. Johanna Wagner schreckten weder die Vorgeschichte
(im Gegenteil) noch die Eigenheiten ab. Als sie „ihr Haus“ kennenlernte,
wie sie es ausdrückt, also die vier Zimmerchen, Bad, Küche und
Gärtchen besichtigte, zögerte sie nicht mehr lange. „So klein
und schnuckelig gibt es nicht viele“, schwärmt sie. Zudem glitzere
das Pegnitzwasser hier besonders schon, geradezu idyllisch sei der Ausblick
auf den Arzberg am frühen Morgen. Abgesehen davon half ihr die „PsoriSol“
- Behandlung so sehr, dass ich das Hersbruck jetzt auf diese Weise zurückgebe“,
sagt sie augenzwinkernd. Bis sie aber endgültig einziehen kann,
steht ihr noch viel Arbeit ins Häuschen. Schadenskartierung und Sanierungskonzept
sind im Entstehen. „Daran wirkt sie sehr engagiert mit“, erzählt Christian
Breu begeistert. Der Vorsitzende der Altstadtfreunde lobt die Ingolstädterin
vor allem deshalb, weil Eigentümer, die freiwillig nach Auflagen und
Kriterien fragen, sehr selten sind. Früher Zollhaus Wagner interessiert und fasziniert gleichermaßen
auch die Geschichte. Sie fand heraus, dass das Haus 1690 gleichzeitig mit
dem Wassertor gebaut worden sein müsste. Die Ähnlichkeit des
früheren Hauses am Nürnberger Tor, das sie von einem Bild kennt,
weist auf dieselbe Funktion hin, zumal in der späteren Schusterwerkstatt
zur Brücke hin ein kleines Kassenfensterchen erhalten geblieben ist.
1934 wurde das Zollrecht aufgehoben und das Häuschen an die Familie
Schuster, die auch tatsächlich Schuster waren, verkauft. Seit den
90er Jahren standen die Raume leer. Das Inventar blieb allerdings erhalten:
Lieber heute als morgen würde die neue Eigentümerin die schweren
Maschinen und Werkzeuge aus der Werkstatt abgeben - „bei Bedarf ans Hirtenmuseum“.
Ein Problem ist der sehr schlechte Zustand der Sandsteingiebel sowie der
Fachwerkwände. Sonst will sie in den Räumen nicht Wesentliches
verändern. Johanna Wagner lässt keinen Zweifel
daran, dass sie sich für die liebevolle Pflege ihres Häuschens
sehr viel Zeit nehmen will. Vorerst wohnt sie hier aber nur an Wochenenden.
Ob sie später mal ihr Reich mit jemanden teilen möchte „wird
nicht verraten“. MICHAEL SCHOLZ
|