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Samstag, 18.
Januar 2003
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Hersbrucker Geschäftswelt
bevor und nach dem Krieg
Als Fräulein Else
kam
Altstadtfreunde erinnerten
unter anderem an das Eckhaus am Markt
Die Prager Straße zwischen
den beiden Weltkriegen. Archivfoto
HERSBRUCK — bei der Monatsversammlung
der Hersbrucker Altstadtfreunde berichtete Hans Zitzmann über die
Vielfalt der Hersbrucker Geschäfte, wie sie sich nach 1949 darbot.
Gottlieb Hasl erzählte, wie er als Kind in den 30er Jahren die Prager
Straße erlebte.
Zitzmann ermittelte anhand
des damals erschienenen Adressbuchs zahlreiche Firmen, Geschäfte und
Betriebe. Die Altstadtfreunde waren erstaunt, dass es in Hersbruck einst
eine Majolika-Fabrik gab. Der Besitzer Leugner soll aus Nürnberg ausgebombt
worden sein und in Hersbruck seine Fabrikation weiter betreiben haben.
Lebensmittelgeschäfte
gab es unter anderem folgende: Backdie Meier und Co, Helene Braun, Georg
Dorn, Konrad Endres, Konsumgenoss. Arzbergweg, Löhner, Arzbergweg,
Raum-Schluchter, Leonhard Rösch, Eisenbahnweg, Daniel Schlenk, Paul
Schlerf, Akeleistraße, Sörgel (Berger), Hindenburgplatz, Westphal,
Nürnberger Straße, Johann Wolf, Mühlstraße, Wolfrum
(Uhl), Wolkersdörfer, Amberger Straße (Milchgeschäft, Taxi,
Tankstelle), Lobinger, Escherle (Tankstelle), Babette Roscher, Obermühlweg.
Schirme bei Pemsel
Während es in den meisten
Dörfern Handlungen, Gemischtwarenhandlungen oder Kolonialwarenläden
gab, aber auch Schneider, Bäcker, Metzger und so fort, gab es Gegenstände
des gehobenen Bedarfs nur in der Stadt. Schirme konnte man bei Schirm Pemsel
erwerben und Uhren bei Uhrmacher Bauer oder Uhrmacher Pemsel.
Bei vielen Geschäften
wurden Erinnerungen wach. So wurde von einem Schneider erzählt. Dieser
soll für einen Rechtsanwalt einen Anzug gefertigt haben, und als der
Anzug fertig war, holte ihn der Anwalt ab und fragte, was die Arbeit kosten
wüirde. „Na. 300 Mark. Oder ist das zu viel? “ Da antwortete der Anwalt,
der den Schneidermeister gut kannte: „Rindvieh, wenn du nicht mehr verlangst,
kommst du zu nichts.“ Der Kunde soll dann freiwillig 400 Mark bezahlt haben,
da der Anzug ausgezeichnet saß.
Damals gab es noch mehrere
Schneider in Hersbruck, da Anzüge meistens angefertigt und nicht von
der Stange gekauft wurden. So war einst der Hausmeister Meier in der Volksschule
am Schlossplatz nebenbei Schneider.
Gottlieb Hasl begann seinen
Bericht mit dem Eckhaus Oberer Markt-Prager Straße, heute Photo-Steinbauer/Schmidt,
vormals Höpfl, vormals Berger; und damals wurde das Geschäft
von Herrn Sörgel betrieben. Die Haustüre war in der Prager Straße
und Tagsüber immer offen. Im Flur stand eine Dezimalwaage mit Säcken.
Wenn man in das Geschäft ging, lautete die Türglocke und dann
musste man warten, bis Fräulein Else kam, die Verkäuferin, Köchin
und Haushälterin in einem war. Im hinteren Teil des Geschäfts,
durch Glaswand abgetrennt, saß der Inhaber am Schreibtisch.
Dusterer Salzstadel
An das Haus grenzte der Salzstadel
an, heute Porzellanwaren Lutz. Damals war es nur ein Stadel mit immer verschlossenen
Türen und Fensterläden. Nur wenn Spediteur Bock die Salzsäcke
auslud konnte man in den düsteren Raum hineinschauen. Ausführlich
wurde von den Schaumkreisel und Nussschnitten erzählt, die man in
der Konditorei Müller (heute Kohl) erwerben konnte, und dass damals
zwei kleine runde Tischchen fürs Café reichten. Interessant
waren besonders die Keller, die weit in die Tiefe reichen sollen. Bei der
Drogerie Lederer führte ein großes Hoftor über einen gebretterten
Flur in den Hof zur Scheune.
Im anschließenden Geschäft
von Seiler Geng mit dem hübschen Jugendstilschaufenster gab es neben
Stricken und Seilen ein großes Foo zu sehen, das den Inhaber als
Feuerwehrhauptmann zeigte. Neben dem Textilgeschäft, heute Müller-Markt,
kam dann jenseits der Braugasse die Metzgerei Schönert, dann die Familie
Müller (heute Schuhgeschäft), dann wieder Familie Müller,
anschließend bei Foto-Müller war die Besitzerin eine Frau Heißmann,
und dann kam das Haus des Gemusehändlers Hasl.
Kohlköpfe rollten
Hier erfuhr man natürlich
am ausführlichsten, wie es einst in diesem Haus zuging, wenn die Kohlköpfe
in den Keller gerollt und Sauerkraut eingestampft wurde und als der Pferdewagen
noch im Stall stand und Hasls Vater um Mitternacht einspannte, um damit
zum Nürnberger Großmarkt zu fahren. Ab 1928 rollte dann der
erste Lastwagen durch die schmale Durchfahrt in den Hof.
HELMUT
SÜß
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