Hersbrucker Altstadtfreunde hatten bei ihrer Fahrt in die neuen Bundesländer positive und negative Eindrücke Die Städte werden schöner — und leerer Das westliche Erzgebirge hat auch abseits der großen touristischen Attraktionen viel zu bieten— Abwanderung aus den Zentren HERSBRUCK (ep) - Zwei ganz verschiedene
Eindrücke bewegten die Hersbrucker Altstadtfreunde bei ihrer diesjährigen
Fahrt in die neuen Bundesländer. Einerseits konnten sie sich wiederum
über wunderschöne Landschaften und die gelungene Sanierung historischer
Bauten und Stadtbilder im westlichen Erzgebirge freuen, andererseits bedrückte
sie die gravierende Abwanderung aus den schöner gewordenen Städten.
Die Altstadtfreunde besichtigten
die Schlossruine Hartenstein in der einstigen Grafschaft Schönburg.
Die Zweitagesfahrt berührte keinen
der viel besuchten touristischen Glanzpunkte mit Sternen im Baedeker. Aber
gerade dadurch machte sie den Reichtum des Erzgebirges an landschaftlichen
Reizen, imposanten Bauwerken und kunsthistorischen Schätzen deutlich.
Erste Station war die evangelische Wehrkirche
Härtensdorf mit ihren drei schönen Marienfiguren im spätgotischen
Schnitzaltar. Von dieser hochgelegenen einstigen Hofkirche der Herren von
Wildenfelds ging es zum Schloss Wildenfels, das wie die Kirche erstmals
um 1150 errichtet wurde. Ein Freundeskreis, der sich um die Sanierung kümmert,
hat, wie man bei der Besichtigung des Schlosses merkte, schon viel erreicht.
An den vielen gleichen Orts- und Familiennamen kann man ablesen, dass dieses
Gebiet im Zuge der mittelal-terlichen Ostkolonisation von Franken her besiedelt
wurde. Spuren des Hochwassers
Entlang der Mulde sah man noch Spuren des
Hochwassers vom letzten August. In dem Städtchen Hartenstein speiste
man im renovierten Ratskeller und besichtigte dann das zum Museum gestaltete
Geburtshaus des Dichters und Arztes Paul Fleming, der zur Zeit des Dreißigjährigen
Krieges an einer jahrelangen Expedition von Schleswig-Holstein über
Russland nach Persien teilnahm und durch seine Gedichte und Lieder in die
Literaturgeschichte eingegangen ist, obwohl er schon mit 31 Jahren starb.
Man sieht im Ort wunderschöne Fachwerkhäuser, aber auch Wohnbauten,
die mangels Nachfrage unvollendet geblieben sind. Eine kleine Wanderung führte die Ausflügler
dann zur Schlossruine Hartenstein. Die riesige Burg war gut erhalten, bis
sie am 20. April 1945 zusammengebombt wurde. Die energiegeladene, Marketing
bewusste Vorsitzende des Fördervereins Schlossruine Hartenstein,
die übrigens aus Niederbayern stammt, führte den staunenden Hersbruckern
vor Augen, was beim Wiederaufbau der Ruine bereits erreicht worden ist
und welche Vision dahinter steht. Im historischen Hotel „Blauer Engel“ in
der Kreisstadt Aue erwartete die Gäste ein überaus freundlicher
Service sowie ein regionaltypisches Abendessen mit Bier aus der Hausbrauerei.
Die Hersbrucker waren zufällig gerade zu einer langen Kneipennacht
nach Aue gekommen. Aber diese verlief ohne Krawall und verunreinigte Straßen,
obwohl viele junge Leute unterwegs waren. Nachdenklich stimmte die Besucher,
als sie beim Rundgang durch die Straßen mit vielen stolzen Jugendstilhäuser
erfuhren, dass Aue vor der Wende 29 000 Einwohner zählte und jetzt
nur noch 18 - bis 19 000. Die nächste Station war Schneeberg.
Ein Silberfund führte 1471 zur Gründung des Ortes und sieben
Jahre später war er schon eine Stadt, Schon früh entwickelte
sich neben dem Bergbau die Holzschnitzerei. Im Schneeberger Museum konnte
man ihre außerordentliche Vielfalt bestaunen. Ein Teil der Ausflügler fuhr mii dem
Förderkorb in einen der stillgelegten Wismut-Stollen ein, in denen
zu DDR-Zeiten Uran für die Sowjetunion abgebaut worden war, und konnte
sich so ein Bild machen von der zwar gut bezahlten, aber unerhört
harten, gefährlichen und gesundheitsschädigenden Arbeit der Bergleute. Eine andere Gruppe besuchte das Gesundheitsbad
„Actinon“ in Schlema und tummelte sich in dem in allen Variationen sprudelnden
radonhaltigen Wasser. Zurück in Schneeberg bewunderten die
Hersbrucker in der mächtigen St. Wolfgangskirche das früheste
und umfassendste protestantische Altarwerk von Lukas Cranach. Am Ende der
erlebnisreichen Fahrt dankte Vorsitzender Christian Breu besonders Helmut
Süß, der sie wie immer sorgfältig vorbereitet und interessante
historische und wirtschaftliche Hintergrundinformationen gegeben hatte. |