Donnerstag/Freitag, 29./30. Mai 2003

Hersbrucker Altstadtfreunde hatten bei ihrer Fahrt in die neuen Bundesländer positive und negative Eindrücke

Die Städte werden schöner — und leerer

Das westliche Erzgebirge hat auch abseits der großen touristischen Attraktionen viel zu bieten— Abwanderung aus den Zentren

HERSBRUCK (ep) - Zwei ganz verschiedene Eindrücke bewegten die Hersbrucker Altstadtfreunde bei ihrer diesjährigen Fahrt in die neuen Bundesländer. Einerseits konnten sie sich wiederum über wunderschöne Landschaften und die gelungene Sanierung historischer Bauten und Stadtbilder im westlichen Erzgebirge freuen, andererseits bedrückte sie die gravierende Abwanderung aus den schöner gewordenen Städten.

Die Altstadtfreunde besichtigten die Schlossruine Hartenstein in der einstigen Grafschaft Schönburg. 
Foto: E. Pfeiffer

Die Zweitagesfahrt berührte keinen der viel besuchten touristischen Glanzpunkte mit Sternen im Baedeker. Aber gerade dadurch machte sie den Reichtum des Erzgebirges an landschaftlichen Reizen, imposanten Bauwerken und kunsthistorischen Schätzen deutlich.

Erste Station war die evangelische Wehrkirche Härtensdorf mit ihren drei schönen Marienfiguren im spätgotischen Schnitzaltar. Von dieser hochgelegenen einstigen Hofkirche der Herren von Wildenfelds ging es zum Schloss Wildenfels, das wie die Kirche erstmals um 1150 errichtet wurde. Ein Freundeskreis, der sich um die Sanierung kümmert, hat, wie man bei der Besichtigung des Schlosses merkte, schon viel erreicht. An den vielen gleichen Orts- und Familiennamen kann man ablesen, dass dieses Gebiet im Zuge der mittelal-terlichen Ostkolonisation von Franken her besiedelt wurde.

Spuren des Hochwassers

Entlang der Mulde sah man noch Spuren des Hochwassers vom letzten August. In dem Städtchen Hartenstein speiste man im renovierten Ratskeller und besichtigte dann das zum Museum gestaltete Geburtshaus des Dichters und Arztes Paul Fleming, der zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges an einer jahrelangen Expedition von Schleswig-Holstein über Russland nach Persien teilnahm und durch seine Gedichte und Lieder in die Literaturgeschichte eingegangen ist, obwohl er schon mit 31 Jahren starb. Man sieht im Ort wunderschöne Fachwerkhäuser, aber auch Wohnbauten, die mangels Nachfrage unvollendet geblieben sind.

Eine kleine Wanderung führte die Ausflügler dann zur Schlossruine Hartenstein. Die riesige Burg war gut erhalten, bis sie am 20. April 1945 zusammengebombt wurde. Die energiegeladene, Marketing bewusste Vorsitzende des Fördervereins Schlossruine Hartenstein, die übrigens aus Niederbayern stammt, führte den staunenden Hersbruckern vor Augen, was beim Wiederaufbau der Ruine bereits erreicht worden ist und welche Vision dahinter steht.

Im historischen Hotel „Blauer Engel“ in der Kreisstadt Aue erwartete die Gäste ein überaus freundlicher Service sowie ein regionaltypisches Abendessen mit Bier aus der Hausbrauerei. Die Hersbrucker waren zufällig gerade zu einer langen Kneipennacht nach Aue gekommen. Aber diese verlief ohne Krawall und verunreinigte Straßen, obwohl viele junge Leute unterwegs waren. Nachdenklich stimmte die Besucher, als sie beim Rundgang durch die Straßen mit vielen stolzen Jugendstilhäuser erfuhren, dass Aue vor der Wende 29 000 Einwohner zählte und jetzt nur noch 18 - bis 19 000.

Die nächste Station war Schneeberg. Ein Silberfund führte 1471 zur Gründung des Ortes und sieben Jahre später war er schon eine Stadt, Schon früh entwickelte sich neben dem Bergbau die Holzschnitzerei. Im Schneeberger Museum konnte man ihre außerordentliche Vielfalt bestaunen.

Ein Teil der Ausflügler fuhr mii dem Förderkorb in einen der stillgelegten Wismut-Stollen ein, in denen zu DDR-Zeiten Uran für die Sowjetunion abgebaut worden war, und konnte sich so ein Bild machen von der zwar gut bezahlten, aber unerhört harten, gefährlichen und gesundheitsschädigenden Arbeit der Bergleute.

Eine andere Gruppe besuchte das Gesundheitsbad „Actinon“ in Schlema und tummelte sich in dem in allen Variationen sprudelnden radonhaltigen Wasser.

Zurück in Schneeberg bewunderten die Hersbrucker in der mächtigen St. Wolfgangskirche das früheste und umfassendste protestantische Altarwerk von Lukas Cranach. Am Ende der erlebnisreichen Fahrt dankte Vorsitzender Christian Breu besonders Helmut Süß, der sie wie immer sorgfältig vorbereitet und interessante historische und wirtschaftliche Hintergrundinformationen gegeben hatte.
 

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